Herrgott, was geht eigentlich gerade in den Köpfen deutscher Werber und Journalisten vor? Kein Tag an dem mal niemand auf die ach so blöden, sinnlosen und relevanzfreien Weblogs einprügelt.
Heute ist es der promovierte Politikwissenschaftler Thomas Leif, seines Zeichens Vorsitzender des „Netzwerk Recherche“.
Es ist lustig zu sehen (ich habe beim lesen des Interview mehrmals in Richtung WC geschaut und den Brechreiz dann aber einfach ignoriert) wie sich die Journalie da über die Blogs und deren „unmögliches“ Verhalten begeifert, sich aufregt über das „einprügeln“ der Blogs auf die traditionellen Medien und dann selbst zum Schlagstock greifen.
Wenn wir Blogs so sinnlos und unrelevant sind, dann lasst es doch einfach. Lasst die werten Blogs doch einfach in Ruhe und redet nicht drüber.
Herr Leif gibt von sich „Nicht jeder Blogger ist Journalist. Den meisten Bloggern fehlt jegliches journalistisches Handwerkszeug.“ Dabei frage ich mich andauernd, welcher Blogger denn ein Journalist sein will? Bitte! Blogs sind kein Journalismus und werden es nie sein. Sie wollen es nicht sein! Niemand, Kein richtiges Blog will objektiv sein, daraus zieht ein Blog nicht sein Leben. Ich will kein objektives, trockenes Weblog mit journalistischem Maßstab. Das widerspricht der Philosophie der Gattung. Weblogs sollen subjektiv sein, sollen dumm sein … Das schließt trotzdem nicht aus, dass sie gut, unterhaltsam und letzlich informativ sind!
Da kann man als Journalist noch so fein das BILDBlog mal wieder über den Klee loben, wie toll journalistisch es ist. Ich glaube die 25.000 Leser des BILDBlog sind alles Journalisten die sich am einzig wirklich relevanten und journalistisch geführten Blog aufgeilen.
Solange in den Köpfen der werden Journalie nicht angekommen ist das Weblogs nicht den Anspruch des Journalismus haben brauchen wir nicht weiter reden. Journalismus ist etwas anders als Bürgerfunk. Und wird es immer sein. ‚Die Maus‘ oder das ‚RTL Mittagsmagazin‘ kann auch niemand ernsthaft als Journalismus bezeichnen, über deren Programm beschwert sich allerdings keiner … Natürlich sind 99,9 Prozent aller Weblogs journalistisch nicht relevant. Na und? Wollen sie das sein? Sie sind für ihre Nutzer, Leser und Autoren relevant. Und das manchmal mehr als etablierte Medien vielleicht. Vielleicht ist das auch die treibende Angst die uns solche Interviews bescherrt …
… vielleicht geh ich doch nochmal zum WC (und schreib noch was an die Klowand, nachdem ich mich übergeben habe, angesichts solcher intelektuellen Überheblichkeit im Spiegel) …
Die Kern-Erkenntnis ist eben: Blogger sind keine Journalisten und wollen es auch gar nicht sein. Sehr schön finde ich in dem Zusammenhang Deinen Vergleich: „Journalismus ist etwas anders als Bürgerfunk.“ Eben, genau das ist es.
Das Missverständnis besteht aber mitunter auf beiden Seiten. Es gibt halt auch Blogger, die sich für Journalisten halten (qua Blogging); aber es ist und bleibt ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.
Ich bilde mir ein, es beurteilen zu können, denn ich bin Journalist (von der Ausbildung und vom Beruf) und ich bin Blogger (aus Leidenschaft am Medium und mittlerweile auch teilweise beruflich), und es _sind_ zwei verschiedene paar Schuhe.
Bei allem, was Blogs nicht sein wollen – von Journalisten anerkannt werden wollen sie scheinbar doch, andernfalls verstünde ich deine Aufregung nicht 😉
@Joerg: Dazu zitiere ich mal aus meinem Blog-Eintrag: „Der Kulturkampf “Blogs vs. Journalismus” ist eine Scheindiskussion, die davon ablenken will, dass Blogs relevant sind, auch wenn sie kein Journalismus sind.“ Aber es geht imho eben um die Anerkennung von Relevanz und nicht um die Anerkennung als Journalist.
@joerg
Nö, wieso? Mir relativ egal ob ich oder mein Blog von einem Journalisten als relevant eingestuft werde, das muss ein Leser immer selbst tun, nicht ein Berufsfach!
Meine Aufregung hat nichts mit einer Anerkennung von Relevanz zu tun sondern darum dass Blogger und Journalisten genau deshalb seit einigen Wochen vermehrt aufeinander eindreschen, obwohl es absolut keinen Sinn macht. Die ganze Relevanz-Diskussion ist hochgradig dumm, weil Relevanz immer von einem subjektiven Blickpunkt aus gesehen wird. Die BILD bspw. ist für mich nicht relevant, für die Journalie aber durchaus weil sie zig Millionen Leser erreicht. Weblogs werden für die Journalie vielleicht nie relevant werden weil sie keine zig tausend Leser erreichen oder weil sie subjektiv sind (was die BILD letzlich auch ist), aber das ist vollkommen egal. Weil Journalismus und Bloggen zwei paar Schuhe sind.
Ich frag doch auch nicht wie relevant mein Shirt für meine Füße ist!
Ich mein ja nur: Ganz schön viel Empörung über solche Artikel jedesmal. Dafür, dass es vollkommen egal ist. Und ich hab auch gar nicht gesagt, dass irgendwas falsch dran wäre, wenn Blogger von bezahlten selbsternannten „Qualitäts“-Schreibern die Anerkennung einfordern, die ihnen zusteht. Viele scheinen mir echt unter der Belächelung durch old media zu leiden, das kann man doch zugegeben.
Thomas, da muss ich widersprechen. Es geht schon um Relevanz. Natürlich nicht die subjektive. Aber permanent zu leugnen, dass Weblogs ein Phänomen sind, dass öffentliche Wirkung entfaltet – und das tun leider eine Reihe von Journalisten – das ist einfach nur ignorant. Und „hochgradig dumm“ ist daher nicht eine Diskussion um Relevanz, sondern hochgradig dumm ist es, darüber zu diskutieren, ob Blogs dann relevant sind, wenn sie wie Journalismus sind. Wie du sagst (und ich ja auch schon sagte), es sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Ich sag mal:
Woher kommt denn der Ausdruck ‚Journalist‘?
Ach, von Journal?
Und das ist?
Ein Tagebuch?
Ach was?
Ei guck!
99% der Blogger sollen und wollen keinen Journalisten sein. Und 1% der Blogs wird gelesen 😉
Und manche Blogs, die „aussehen“ wie Tagebücher sind sonnenklar literarisch-journalstische Projekte. Lyssa z.B. (Die ‚Harzreise‘ von Heine *sieht* auch nur *aus* wie ein Reisetagebuch.)
Auf dem Forum Lokaljournlaismus (von bpb.de) letzte Woche jedenfalls haben einige Chefredakteure geäußert, dass sie sich ernsthaft mit Blogs auseinandersetzen (d.h. welche ‚machen‘) wollen.
Beim einen oder anderen hake ich sicher nach 😉
Äh. Beachtet doch mal bei aller Empörung mal die Fragen, die das Webwatching-Team da an Leif gestellt hat. Wenn die Einstiegsfrage mit der Feststellung beginnt, daß via Weblog nun endlich jeder Journalist sein kann, wie soll da schon die Antwort klingen?
Merkwürdig ist doch eher, daß SpOn gerade dieses Interview ausgesucht hat zum Syndizieren – wenn hier jemand Angst hat, dann SpOn.
Die Recherche ist journalistische Tätigkeit. Kann und darf jeder Bürger gemäss Art. 5 GG. Sollte ich als Blogger zufällig mal ins Recherchieren kommen und damit auf das Niveau eines „trockenen“ Journalisten absinken, man möge es mir vergeben. Füge ich meinem, aus dieser Recherche resultierenden Artikel, einen subjektiven Kommentar hinzu, darf ich mich schon mal als Blogger adeln. Oder?
Btw., wenn ich mir anschaue, was Journalisten, oder die sich als solche bezeichnen, oftmals von sich geben und wie die Themen recherchiert sind, gemixt mit einem Deutsch, dass man sich schämen muss, dann bin ich froh Blogger zu sein.
Vorschlag zur Güte eines Netzwerk-Recherche-Mitglieds, das ich bin: Manche Beiträge erfüllen alle Merkmale der journalistischen Schreibe, das Gros der Postings hingegen nicht, weil deren Urheber überhaupt nicht vermeintlich objektiv, sondern ganz bewusst parteiisch (subjektiv) sein wollen.
Eine ausführliche Begründung meiner These habe ich bereits beim werbeblogger und bei indiskretion ehrensache als Kommentar hinterlassen.
Ein Posting in meinem Blog spare ich mir, weil es nicht zum Thema meines Blogs passt.
Jetzt bin ich aber verwirrt. Das bedeutet doch, das die bildZeitung der Urblog ist. Die erscheint auch täglich und spiegelt die Meinung des (jounalistisch-angehauchten) Schreiberlings da. Bedeutet das, dass der AxelSpringerPreis jetzt auch auf Blogs ausgeweitet wird?