Für die Juli-Ausgabe des Leipziger Stadtmagazin KREUZER hat Maria Böhme einen Artikel über twitter geschrieben. Als Recherche zu dem Artikel fragte mich die freie Autorin, warum ich meiner Einschätzung nach glaube, mit meinem twitter-Account @gigold so erfolgreich zu sein, und ob ich twitter eine Zukunft als Massenmedium voraussagen würde.
Dies ist meine Antwort, die ich am 10. Juni per Mail geschickt habe – meine Einschätzung zu twitter *:
Ich habe twitter im März 2007 entdeckt, und mich in den darauffolgenden acht Monaten gefragt, wozu man twitter braucht. Bloggen, und dann nur 140 Zeichen dafür nutzen? Wozu?
Im November 2007 dann allerdings fing ich dann doch an. Warum, weiß ich so Recht nicht mehr, aber in dem Monat schickte ich erstmals über 100 Tweets ab. Seitdem nutze ich twitter täglich. Für Kurzmitteilungen, als Linkschleuder, Dialog-Medium und Social Networking-Dienst. twitter ist für mich Kommunikation mit Bekannten und Freunden. Ich tausche Gedanken mit ihnen aus, teile Links mit Ihnen und berichte, was ich so mache. twitter ist für mich wesentlich mehr Social Network als Xing oder Facebook – die beide vor einer Weile ebenfalls eigeneMicro Blogging-Lösungen (kurze Statusmeldungen mit einer begrenzten Anzahl von Buchstaben) integriert haben, die man mit den eigenen Kontakten teilen kann.
Ich würde nicht behaupten, dass ich erfolgreich auf twitter bin – einfach auch, weil ich daran keinen Gedanken verschwende. Natürlich achte ich darauf was ich schreibe – weil ich mittlerweile bei allem darauf achte, was ich schreibe. Ich achte auch darauf, wie ich formuliere. twitter ist für viele Nutzer mittlerweile auch eine kleine eigene Kunstform. In 140 Zeichen eine Geschichte zu erzählen, eine Pointe zu setzen oder einen Gedanken richtig zu vermitteln ist manchmal durchaus eine Herausforderung. Und es macht Spaß.
Für meinen Account @medienrauschen ist twitter vor allem ein Medium um Links und Updates im Blog zu teilen. Wer medienrauschen auf twitter abonniert bekommt Links zu Medienthemen. Mehr nicht. Da geht es bei meinem persönlichen twitter-Account schon mehr in Richtung Kommunikation.
twitter wird kein Medium verdrängen. Ebenso wenig wie Blogs je ein Medium verdrängen werden. Denn weder twitter noch Blogs wollten je ein Medium verdrängen. Ich war schon immer der Meinung, dass Weblogs Journalismus ergänzen, nicht ihn verdrängen. Und so verhält es sich auch mit twitter – es ist ein neuer Kanal. Einer, der Menschen
zusammen bringt. Wenn dann Augenzeugen über Flugzeugabstürze (Hudson) oder Hotelbrände (Bombay) berichten sind sie vielleicht schneller als der Journalismus, aber das ist keine Konkurrenz zum Journalismus. Augenzeugen waren schon immer schneller als Journalisten, sie waren schon immer die Quelle. Nur ist über twitter diese Quelle erstmals vor dem Journalismus öffentlich. twitter zwingt den Journalismus so gesehen zur Emanzipation. Mit twitter haben potentielle Augenzeugen – weil es per SMS, MMS, Web oder ein Handy-Tool schnell befüllt werden kann – heute ein Tool, mit dem sie vor allem ihren Bekannten und Freunden mitteilen können, was sie erleben.
twitter ein Massenmedium?
Sind Blogs ein Massenmedium?
twitter bezeichnet man als “Microblogging”, und genau so funktioniert es. Es ist bloggen – auf 140 Zeichen begrenzt. Wird es von Massen genutzt? Ja.
Bereits heute gibt es Millionen Nutzer. Wird es von Massen wahrgenommen? Klar. Aber es wird kein CNN, kein Spiegel Online. Denn twitter schafft keine Inhalte selbst. twitter ist eher wie Facebook oder MySpace. Ich verbinde mich mit den Menschen, die für mich relevant sind. Und deren News verfolge ich. Ob die 273 Menschen denen bspw. ich folge für die tagesschau relevant sind? Eher nicht. Aber für mich sind sie es.
Für Journalisten wird twitter relevant als Themennavigator. Also: Welche Themen brennen den Leuten derzeit unter
den Nägeln? Was passiert da draussen in der Welt? Das, was Journalisten heute schon mit Blogs machen – sie scannen und auswerten – werden sie künftig auch mit twitter machen. Aber twitter wird selbst kein Massenmedium im herkömmlichen Sinn werden. Nachrichten wird man sich an den Orten holen, an denen Journalismus in seiner bekannten Form statt findet, auch weil 140 Zeichen nicht ausreichen.
twitter ist genau so wenig ein Massenmedium wie Blogs oder auch YouTube. Es ist eine Plattform. Allein unter technischem Aspekt ist twitter kein Massenmedium, weil twitter nicht zentral befüllt wird, sondern ein Jeder der twittert ein eigener Sender ist und im Grund ausschließlich für sich und seinen Empfängerkreis sendet. Wer twitter, Blogs oder YouTube als Bedrohung des traditionellen Massenmediums Fernsehen oder Zeitung sieht, hat vielleicht nicht Unrecht. Diese Bedrohung entsteht allerdings nicht daraus, dass andere Web-Phänomene plötzlich informativer, investigativer oder unterhaltsamer werden – nicht auf der gleichen Ebene wie Massenmedien. Sie werden nur relevanter – für den Einzelnen. Und in einem Relevanz-Vergleich zwischen meinen Freunden, die sich an mich wenden und Massenmedien, die sich an alle wenden, siegt die persönliche Verbindung. twitter kann nie ein Massenmedium werden. Erstens, weil twitter selbst nichts sendet, und zweitens, weil twitter je mehr es an Persönlichkeit verliert, auch an Relevanz verliert und damit uninteressant wird.
* Den letzten Absatz habe ich etwas geändert, um meine Ausführungen verständlicher zu machen
Kluge Worte, gerne gelesen. Vor allem Deine Gedanken zur vermeintlichen Konkurrenzsituation zwischen Twitter/Blogs und Journalismus mag und teile ich. Und ich glaube, der Punkt mit der Relevanz ist genau der, den man Menschen, die Twitter nicht kennen oder es ablehnen, immer wieder erklären muss. Es gibt eben nicht den einen Nutzen für jeden Nutzer. Das macht es vielleicht von außen betrachtet etwas komplizierter.
Schöner Artikel, aber Deine zentrale Aussage teile ich nicht. Denn es gibt die Massenmedien des klassischen Stils ja gar nicht mehr. Nicht mehr das Erste, das Zweite und die Dritten. Alle anderen Medien kämpfen mit dem was seit langem als Fragmentierung der Medien- und Konsumentenlandschaft bezeichnet wird. Oder auch Individualisierung. Und vor dem Hintergrund betrachtet wird die Antwort auf die Frage „was ist twitter“ schon spannender. Ist es nicht sogar das ideale Massenmedium der neuen Generation für die fragmentierte Welt? Es zieht zweifellos die Massen an. Es verdrängt zweifellos den Konsum klassischer Medien (bei mir sehr klar Zeitung, Magazine, TV). Es hat gute Informationen, ist schnell und relevant. Es hat gutes Entertainment. Sehr gutes. Es ist eben beliebig nach Wunsch fragmentierbar und damit wie Du ganz richtig sagst häufig relevanter.
Ich habe mir gestern einen Video ausgeliehen und wollte den sehen. Wurde nach 30min von twitter-Sehnsucht übermannt und habe den TV ausgemacht. So ist das.