Vom Fluglärm. Oder der Ruhe davor.

Island, Aschewolke und der Flugverkehr.
Kaum ein anderes Thema beherrscht die Medien derzeit in solch einem Umfang wie der Ausbruch des Eyjafjallajökull, die dadurch verursachte Aschewolke und den daraus resultierenden Stillstand des Flugverkehrs seit dem 15. April. Seit diesem Tag gibt es kaum mehr Flugbewegungen in Europa – die großen Flughäfen wurden von der deutschen Flugaufsicht aus Sicherheitsgründen geschlossen. Das Chaos, welches dies erzeugt ist groß, die Flugausfälle sind mittlerweile auf einer höheren Anzahl als nach den Anschlägen am 11. September 2001.

Auch am Flughafen Leipzig/Halle geht nichts mehr.
Kaum eine Maschine landet oder startet hier. Heute im Lauf des Tages gab es ein kleines Zeitfenster, an denen Maschinen in Richtung Osten starten durften. Doch sonst: Stille.
Und genau die ist es, die mich nervt.
Nicht die Stille als solche – nein. Es ist die Instrumentalisierung ihrer durch Flugplatz-Gegner. Gleich schießen wieder Berichte empor, wie unbeschwert es sei. Wie lang man jetzt schlafen könne. Wie ruhig es nun doch endlich sei. So wie früher ..
Lärmgeplagte Anwohner erleben wundervolle Stille titelt die MZ heute. Aber ich (als Anwohner) bin nicht lärmgeplagt!

Ich wohne jetzt seit zwei Jahren fünf Kilometer Luftlinie von den westlichen Start- und Landepunkten des Flughafens Leipzig entfernt. Wenn ich aus dem Küchenfenster blicke sehe ich die Flugzeuge in einem Kilometer Entfernung die Nordbahn anfliegen. Schaue ich aus dem Wohnzimmerfenster (gegenüber) sehe ich sie in einem Kilometer Entfernung die Südbahn anfliegen.
Wir haben uns entschieden hier her zu ziehen. Trotz der Flugzeuge. Natürlich machen die Dinger Krach. Genau so viel Krach wie sie nicht gut für die Umwelt sind. Wenn Uwe Steimle heute auf der AMI sagt, er würde Innerdeutsche Flüge als Erster verbieten bin ich geneigt ihm eine Petition zu unterschreiben. Nicht weil mich fliegen oder Flugzeuge nerven. Nicht, weil ich hier links und rechts Flugzeuge neben dem Haus habe. Sondern, weil ich es umweltpolitisch durchaus für einen Aspekt halte, den man mal überprüfen kann.
Aber das ist eine andere Sache.

Zurück zum Lärm. Der – wie ich den Eindruck habe – zu 80% nur gefühlt ist.
Natürlich gibt es den. Natürlich beeinträchtigt er das Leben in einem gewissen Maß.
Aber Menschen, die der Presse erzählen, sie könnten nicht mehr normal leben, möchte ich fast schon einen Arzttermin ausmachen. Denn dann müssten vorbei fahrende Autos oder Straßenbahnen ebenso unerträglich sein. Ich kann trotz Flugzeug noch immer auf dem Balkon essen, in der Nacht mit offenem Fenster schlafen oder den Fernseher ebenso leise lassen wie früher. Im Gegenteil. Die Flugzeuge sind gar leiser, als die Autos auf dem guten DDR-Pflaster in der Straße, in der ich vorher gelebt habe. Abends auf der Couch dröhnt der Fernseher vom Nachbarn mehr als die Triebwerke – von Flugzeugen bekomme ich selbst bei absoluter Stille nichts mit.

Flugzeuglärm läßt sich ausblenden. Wie es die meisten Stadtbewohner auch mit Autos oder Straßenbahnen tun. Wir bekommen nicht mehr mit, wenn Straßenbahnen quitschen, weil dies unser fantastisches Gehör und Gehirn filtert. Es ist dazu in der Lage, und es macht dies bisweilen mit erschreckender Genauigkeit. So kann ich mich an den Besuch einer guten Freundin in unserer ersten Wohnung erinnern. Diese lag genau an/über einer Straßenbahn-Biegung. Während wir nachts in Seelenruhe mit offenem Fenster schliefen stöhnte unsere Freundin am nächsten Morgen über den ohrenbetäubenden Krach. Heute geht es uns ebenso: Unsere Fenster sind tagsüber offen – ebenso wie nachts (zumindest im Sommer). Flugzeuge nehmen wir nicht wahr.
Ich gestehe zu, dass es einige neuralgische Punkte im Flugverkehr eines Flughafens gibt, die für Anwohner schwierig sind. Auch weiß ich, dass nicht jeder so gu Geräusche filtern kann, aber das ist trainierbar und mit der Weile funktioniert es. Es gibt beispielsweise Tinitus-Erkrankte (wie William Shatner, und Millionen andere, weniger bekannte Menschen) die es geschafft haben den Tinitus durch Ignoranz oder ein Gegengeräusch wegzudrücken. Er ist noch da, sie nehmen ihn bei Konzentration darauf auch weiter wahr. Aber ihnen bzw. ihrem Gehirn gelingt das Kunststück das Geräusch einfach zu filtern. Menschen in Großstädten gelingt dies mit ihren Umgebungsgeräuschen auch. Wie gesagt, es gibt natürlich auch gegenteilige Fälle. Aber ich würde mir rausnehmen, das Wahrnehmen des Flugverkehrs in den meisten Fälle auf Sturheit zurück zu führen. Man nimmt es wahr, weil man es wahr nehmen und sich darüber beschweren will.

Nicht falsch verstehen: Fluglärm ist böse. Und sicherlich kann er in Einzelfällen auch krank machen. Nur sollte man in den Medien eine ausgewogen Berichterstattung verlangen können. Und die sehe ich nicht. In den Medien kommen immer Menschen zu Wort, die sich beschweren. Nie welche, die sagen: “Ich höre nix” oder “Mich stören die nicht” – nicht mal Nachts!

Übrigens: Ein Bild, wie die Mitteldeutsche Zeitung mit Quelle “ZB” als Aufmacher über Flughafen-Geschichten nutzt, bekomme ich beim besten Willen und perfektem Wetter nicht hin. Allein, wohl auch, weil die Größenverhältnisse für die 15 Kilometer Luftlinie zwischen Flughafen und südlich gelegener Leipziger Innenstadt doch recht großzügig bemessen sind 😉

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6 Kommentare

  1. Mitten in Stuttgart an einer belebten Straße mit Stadtbahnlinie schlafe ich im Sommer auch problemlos mit offenem Fenster. Im Wohnzimmer muss ich aber abends die Fenster schließen, da mir sonst alle 5 Minuten ein Stück Dialog entgeht. Ich wusste das, bevor ich diese Wohnung gekauft habe, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei den meisten „lärmgeplagten“ Flughafenanwohnern anders war.

    (Die Zwangspause tut als Anlass zum grundsätzlichen Nachdenken über die Notwendigkeit bzw. den Umfang des Flugverkehrs trotzdem ganz gut…)

  2. Ich kann nur sagen, dass es in der Münchner Gegend gerade sooo schön ist ohne den Lärm von den Flugzeugen. Ich bin mir der ganzen Nachteile vollauf bewusst, aber dennoch könnte diese himmlische (!) Ruhe ewig währen 🙂

  3. Die Leute, die „nichts hören“ sind im Themenkreis enthalten, wie schlimm der wirtschaftliche Schaden ist. Darüber wird durchaus heftigst berichtet. Erfahrungsgemäß sind die Leute, die den Lärm nicht hören (wollen), genau diejenigen, die direkt an ihm verdienen – und sei es nur, dass der Schwager auf dem Flughafen arbeitet oder an US-Soldaten vermietet (Umgebung von US-Militärbasen).

    Wir haben im nördlichen Saarland einen gedenkwürdigen Freitag ohne Kampfjetterror erlebt (sonst werktäglich z.T. bis weit nach 21.00 Uhr), wir sind am Samstag und Sonntag mal nicht vom 06.30 Uhr-Urlaubsbomber geweckt worden, und wie es aussieht, bleiben uns auch am Montag Kampfjetüberfälle erspart – wenn nicht die Bundesluftwaffe aus Büchel nach 20 Uhr mal wieder zum Abendterror ansetzt.

    Es ist schlimm, dass es eines Vulkanausbruchs bedurfte, damit wir mal leben können wie andere Menschen in Deutschland. Wohlemerkt, es geht nicht bloß um eine Einflugschneise, in der Leute billig Bauland gekauft haben. Es geht um das komplette nördliche und östliche Saarland und die Westpfalz, das Lärmreservat unter der militärischen Übungszone TRA LAUTER (ED 205/305).

    http://fluglaerm-kl.de

  4. Hach, Herr Marzen. Genau sowas meine ich ..
    Nein, ich habe keine Freunde beim US-Militär, keine Verwandten auf dem Flughafen, keine wie auch immer gearteten Beziehungen zum Flughafen. Aber ich höre Flugzeuge weniger als den rasenmähenden Herrn drei Häuser weiter, weniger als die Kuckucksuhr des Nachbarn und weniger als die mit lauter Musik vor meinem Küchenfenster fahrenden Autos oder diesen verfluchten Papagei, der im Sommer aller fünf Minuten lauthals über die Gärten der Wohnanlage hinwegruft. Aber ich reg mich nicht auf. Ich akzeptiere es und kann prima damit leben. Ich wache nicht von DHL-Fliegern um vier Uhr morgens auf. Und genau dafür habe ich stets das Gefühl mich entschuldigen zu müssen.
    Es gibt Menschen die beschweren sich über Kitas im Wohngebiet, über Autobahnen in zehn Kilometer Entfernung und über Fluglärm. Ich leugne nicht, dass es ein Problem ist. Aber lustigerweise machen die Fluglärmgegner jede Menge Lärm wegen des Lärms der sie stört.

    In Leipzig gab es vor einigen Tagen zwei Tage lang kein anderes Thema als drei Kampfjets die über Leipzig in Mach 1 gegangen sind. Lustigerweise war das vor 20 Jahren ganz normal, und niemand hat sich drüber aufgeregt! Heute gilt deshalb plötzlich Ausnahmezustand.

    In Großstädten ist es laut. Und in Flughafen-Nähe auch. Und mal ganz provozierend gesagt: Ziehen Sie doch weg. Es gibt schöne und ruhige Ecken. Sicherlich auch im Saarland 😉

  5. Das war echt nervig als andauernd nur über diesen Vulkanausbruch geredet wurde. Zum Glück ist das jetzt besser, aber zum Teil gehört es ja immernoch zu den großen Themen. Ich hoffe natürlich auch, dass die Flüge an Pfingsten jetzt nicht ausfallen, aber das ganze Tralala um das Thema ist es mir auch nicht wert.

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