Sexismus.
Ein Wort, das weh tut eigentlich. Frauen, weil sie damit leben müssen. Männern, weil sie damit oft konfrontiert werden, obwohl sie sich keinen Kopf machen, dass ihr handeln eben als sexistisch angesehen werden könnte.
Und weil Rainer Brüderle, Spitzenmann der FDP, einer stern-Reporterin eher auf den Busen als in die Augen geschaut hat und ihr etwas zu nah kam, reden wir jetzt drüber. So offen, dass Frauen unter dem Hashtag #aufschrei auf Twitter gerade erzählen, was sie persönlich schon so alles erlebt haben an Sexismus. Das reicht vom „Anstarren“ über das subtile Bedrängen und „in Schubladen packen“ bis hin zu Handfestem.
Ich lese diese Tweets. Ich lese wütende Anklagen von Frauen und Männer, die sagen: „Alles halb so wild„. Und ich denke nach.
Nun sind Menschen natürlich alle unterschiedlich. Und während manche Frau einen anzüglichen Witz als Erniedrigung ansieht wäre der gleiche Grad für eine andere Frau erst beim Grapschen erreicht. Deswegen sind die #aufschrei-Tweets natürlich auch sehr unterschiedlich.
Die zentrale Frage der Diskussion ist meines Erachtens „Wo ist die Grenze?“.
Wann ist man(n) Sexist, wann tut man weh, was kann ich als Mann (an mir) ändern?
Ich habe – meinem Wissen nach – noch keine Frau bedrängt. Ich habe weder mich noch Körperteile oder Handlungen aufgedrängt. Oder vielleicht doch, und ich habe es einfach nicht wahrgenommen? Ich muss gestehen, dass Empathie nicht zu meinen Stärken gehört. Und das ist ein weit verbreitetes Phänomen unter Männern, auch wenn wir als „Neo-Männer“ des 21sten Jahrhunderts vielleicht unser Bestes in diesem Bezug geben. Aber wir sind und bleiben eben – ich schrieb es gerade auf Twitter – „Wahrnehmungsselektierer“ und sehen nur das, was wir sehen wollen. Und das macht es schwer im täglichen Leben zu reflektieren, ob und mit was man/ich Frauen durch Handlungen oder Aussagen weh tue. Das betrifft im übrigen Frauen im Allgemeinen ebenso wie die Ehefrau an meiner Seite (besitzergreifend „meine“ Ehefrau zu schreiben fände ich in dem Kontext gerade etwas fehl).
Aber um im „öffentlichen“, allgemeinen Bereich zu bleiben: Ist ein Blick auf ein Dekolleté ein sexistisches Bedrängen? Ist es ein Blick auf eine nackte Frau am Strand? Ist es zufälliges Berühren? Oder die Aufforderung zum „Tanzen“? Zum Küssen, wie bei Brüderle definitiv – und davor?
In der Diskussion treffen – mal unabhängig von den Frauen – zwei Fraktionen von Männern aufeinander. Diejenigen, die behaupten: „Alles nicht wild“ und als „Altherren“ bezeichnet werden, und jene, die sagen: „Würd‘ ich nie tun.“
Ich gehöre zur Partei Zwei. Und doch – sexistisch bin ich trotzdem. Gut, ich verzichte darauf fremden Frauen meine Zunge in den Hals zu stecken (unabhängig von meinem Beziehungsstatus). Ich vermeide die typischen Anzüglichkeiten, die Männer unter sich austauschen, wenn Frauen anwesend sind. Ich habe auch noch nie Poster von (halb-)nackten Frauen irgendwo hängen gehabt. Und ich versuche mich im öffentlichen Leben soweit unter Kontrolle zu halten, dass ich Frauen nicht hinterher starre … Klappt bis auf eine peinliche Situation vor mehr als 10 Jahren übrigens soweit auch recht gut.
Wenn ich jetzt schreibe, dass ich mich unter „Kontrolle“ halte, dann klingt das in manchen Ohren vielleicht dämlich, aber ehrlich gesagt ist es eben genau so. Aber das trifft eben auch den Punkt: Frauen können, dürfen und sollen von Männern verlangen (dürfen), dass sie sich unter Kontrolle halten.
Ja, ich schau Frauen gern an. Und vielleicht bleibt mein Blick dann auch mal eine halbe Sekunde zu lang an Stellen hängen, die im Biologieunterricht nicht mit „Augen“ benannt wurden. Und natürlich hört das nicht auf, weil ich verheiratet oder „erwachsen“ bin. Ich bohre auch weiterhin in der Nase, spiele mit Essen, lache über Männer die in Videos ihren Geschlechtsteilen womöglich irreparable Schäden zufügen, weil sie mit Fahrrädern und Skateboards stürzen und ich habe auch schon über Wörter wir „MILFschnitte“ herzlich gelacht.
Und liebe Frauen, ich entschuldige mich dafür. Nicht für die Videos. Aber für den Rest.
Es wird dem #aufschrei nicht gerecht zu sagen „Männer sind so“. Sind sie nicht. Sie mögen vielleicht so veranlagt sein – aber wir sind zivilisiert genug, damit wir uns selbst reflektieren können und unter Kontrolle halten können. Und dazu gehört verdammt noch mal auch, Frauen nicht unnötig anzustarren. Und selbst wenn wir die Grenze vielleicht nicht immer einhalten können – wir haben kein Recht von einer Frau Nacktheit, Körperlichkeit oder anderes zu verlangen.
„Respekt“ ist das Wort, um das es hier geht.
Die Debatte ist schwierig, weil hier nicht nur Alter und Erziehung, Bedürfnisse und Empfindungen zusammen kommen. Wir leben in einer Gesellschaft, die trotz Emanzipation eben noch immer männlich-sexistisch ist. Es gibt so viele Facetten, Empfindungen, Ansichten und Bedürfnisse dabei – und wir reden hier nicht über „Brot“, wo wir uns alle einig wären. Wir reden mit „Sex“ über etwas, das so tief in unserer urinstinktlichen Codierung steckt, dass wir wahrscheinlich einfach schwer auseinander halten können, was Erziehung, Genetik und Gesellschaft ist. Aber trotzdem ist der #aufschrei und die ganze Diskussion notwenig und richtig. Und Männer sollten ihr jedoch folgen – und wenn es nur ist, um mal sich selbst zu hinterfragen und zu reflektieren.
Schön formuliert. Ich selbst sehe mich ähnlich: Zwar Frauen nicht hinterhergeifernd, aber mich ihrer Reize durchaus bewusst. Die meisten Frauen genießen auch den ein oder anderen Blick der Herren. Das steigt das Selbstgewrtgefühl und man weiß um den eigenen Marktwert. Dies wurde mir auch schon mehrfach von Seiten der Damen bestätigt.
Übrigens zur allgemeinen Gender-Diskussion ein schöner Satz einer Komilitonin, warum sie ihre Abschlussarbeit nicht zu diesem Thema schreiben will: „Es ist ausgelutscht. Diese ganze Gender-Debatte ist für mich: Wir sprechen mal jeden einzeln an, damit keiner weint.“
Was mit Hr. Brüderle passiert, ist seine Sache. Natürlich gibt es Sexisten, aber auf beiden Seiten. Die Frauen sind die knochentrockenen Emanzen und die Männer die laufenden Samenbänke ohne eigenen Verstand. Klischees und Stereotype gibt es überall – das ist weder gut noch schlecht. Es gehört einfach dazu und man kann das auch nicht abstellen. Wir bilden uns immer Meinungen über etwas, was wir vielleicht nicht einmal kennen.
Ich glaube das viele Männer anscheinend nicht wissen was eine sexuelle Belästigung ist.
Denn es kommt nicht! auf das Was an und wie “schwer“ das Was war, sondern es kommt auf den geistigen Zustand des Mannes an.
Ich bitte Sie es ist doch einen Unterschied ob der Mann seine Sexualität GEGEN die Frau benutzt oder FÜR sie.
Es ist ein unterschied wenn der Mann in eine gebende, schenkende und teilende Mentalität um seine Sexualität besitzt oder es im Sinne von wegnehmen, stehlen, grapschen und masturbierend praktiziert.
Eine sexuelle Belästigung ist ein sexuelles Angreifen! (es handelt sich nicht um eine Zuwendung, nicht ums Teilen) indem er erniedrigend und masturbierend den Körper der Frau von ihr stehlt! Da ist es mir als Frau ziemlich scheiß egal wie “schwer“ das Was war. Das kann ein einfaches Hallo sein bis zum körperlichen Angriff. Was zählt war der Geist seiner Handlung! Schenkend oder grapschend und angreiferisch (als ob die Frau ein Feind wäre…)? So kann ein Hallo zur sexuellen Belästigung werden und ein Anfassen eine schöne Zuwendung!
Es steht übrigens nicht in den Genen geschrieben, dass der Mann die Frau als sexuellen Feind wahrnehmen muss und seine Sexualität gegen die Frau als Bedrohung und penetrierende Stoßwaffe demonstrativ benutzen muss. In der Steinzeit gab es noch nicht einmal Phallus Symbole dafür aber viele Vulva/Schoß Symbole sehr fraglich ob es da auch schon eine gewaltige männliche Sexualität gegeben hat. Denn die Gewalt hat ja den Zweck die Überlegenheit zu sichern. Und gibt es eine sexuelle Überlegenheit des Phallus über der Frau (sprich sie wird zum Objekt welches man masturbatorisch bedienen darf) dann müsste es auf jeden Fall Phallus Symbole geben. Die gibt es aber in der Steinzeit nicht, sondern wie schon gesagt man findet nur weibliche Schoßsymbole oder Mutterstaturen. Phallussymbole tauchen erst vor 8000 Jahren auf und die ersten waren noch nicht einmal erniedrigend…
Ps. Vielleicht ist es auch wichtig anzumerken. Jeder Mann der sexuell belästigt hat immer das gleiche Lächeln im Gesicht. Dieses Lächeln ist absolut immer und überall gleich. Desweiteren haben Männer dieses ekelhafte Lächeln NUR wenn sie sexuell belästigen! Nicht wenn sie flirten oder auch sonstwo nicht. Somit wissen Männer anscheinend sehr wohl, dass es sich bei der sexuellen Belästigung nicht um ein fehlgeleiteten Flirtversuch geht…..