Als Kinder sind wir auf Bäume geklettert, haben im Heuschuppen des elterlichen Bauernhofs gespielt, sind allein – und ohne Wissen der Eltern – ins Nachbardorf geradelt oder sind aufs Dach der Scheune geklettert (und durchaus auch mal die vier Meter wieder nach unten gefallen, zum Glück ohne uns etwas zu tun). Früher habe ich auch nie die Treppen zur drei Meter höher liegenden Terrasse des elterlichen Hauses genommen, sondern bin an der Außenwand des Hauses hochgeklettert. Und doch, ja: Ich bin durchaus auch Nachts aus dem Fenster meines Kinderzimmers geklettert und bin auf dem Sims nach unten.
Das sind keine Vorbild-Handlungen für meine Kinder. Aber mich daran zu erinnern hilft mir dabei loszulassen.
Wir können nicht immer und überall sein. Wir sollten es auch überhaupt nicht.
Kinder gehen zu lassen – allein – gehört dazu ein guter Vater (bzw. eine gute Mutter) zu sein. Weder uns als Eltern noch unseren Kindern tut die Über-Bewachung der eigenen Kinder gut.
Lasst sie klettern, lasst sie erkunden, lasst sie allein die Welt erobern.
Ja, die Vorstellung, sie könnten sich etwas tun ist grausam. Die Vorstellung, sie könnten vom Baum fallen, von einem Auto erfasst oder „gefangen“ werden ist schrecklich.
Sie aber die Welt nicht erkunden zu lassen, zu helikoptern, ist es auch. Kinder brauchen Freiheiten um sich zu entwickeln. Sie brauchen Freiheit um Stärken und Erfolgserlebnisse zu entwickeln.
Einen Baum ohne Absicherung oder unter den Augen von Mama und Papa zu erklimmen ist wichtig – es gibt Bestätigung, fördert Mut und Entschlossenheit. Ohne Netz, doppelten Boden, Zuspruch oder – und das machen wir viel häufiger: – Bedenken.
Das Überbehüten von Kindern macht deren Leben nicht sicherer.
Wie sonst sollen Sie die Welt und Risiken kennen lernen.
Kratzer, Schürfwunden und blutende Knie gehören zum Kindsein dazu!
Hanna Rosin schreibt im Atlantic dazu einen sagenhaft guten, lesenswerten Artikel: The Overprotected Kid. Jeder, der des Englischen mächtig ist sollte ihn lesen.
Es geht um das loslassen. Darum, Kinder allein ‚raus‘ zu lassen.
Trotz all der Risiken. Oder gerade wegen derer. Und gerade weil wir so viel Angst haben – der stärkste, brutalste Satz im Artikel ist vielleicht einfach auch der (statistisch gesehen) wahrste: „Wenn eine Mutter Angst hat, dass ihr Kind entführt werden könnte, sollte die eiserne Regel nicht Rede nicht mit Fremden, sondern Rede nicht mit Deinem Vater sein.“
Lesen!
[UPDATE] Na sowas, Sybille Berg hat sich am Sonntag nun auch dem Thema gewidmet – auf die Humorvolle Weise …
Bild: Amanda Tipton, CC