Heute feiert mein Vater seinen Geburtstag. Zum 80sten, und letzten Mal.
Geboren, während die Weimarer Republik auf dem Höhepunkt stand, groß geworden in den Wirren des zweiten Weltkriegs, integer geblieben als Selbständiger während der DDR-Zeit und glücklich gewesen darüber, dass Deutschland wieder eines ist. Das Leben eines Mannes, der ein bekanntes Familienunternehmen unter den Augen des Vater einer neuen Zeit zuwand, zwei Familien zu einer verband und trotz so manchen Fehlers ein Mensch mit Anstand, Würde und Respekt ist, hier komplett wieder zu geben würde den Rahmen sprengen – und mein Wissen.
Denn viel zu wenig weiß ich über ihn. Das liegt weniger am Desinteresse für die Geschichte meines Vaters als mehr an meiner Beziehung zu ihm.
Für mich war der Geburtstag meines Vaters in frühen Kindestagen vor allem ein Wiedersehen mit der Familie. Etwas, das die Aufmerksamkeit aller versprach und ein paar Stunden längeren Wachbleibens. Irgendwann wandelte sich diese Freude und Neugier und geriet von einem entgegenfieberndem Termin zu einem Kalendertag, den ich mit einer relativen Gleichgültigkeit wahrnahm. So wurde der 15. Mai vom Fest- zum Pflicht-Tag. Zumindest ihm gegenüber, denn ebenso wie mein Vater hat die Frau an meiner Seite heute Geburtstag.
Verstanden haben mein Vater und ich uns nie wirklich richtig. Wobei verstehen wohl eher das falsche Wort ist. Wir haben einander wenig erzählt. Er wenig über sich und seine Gefühle, ich ebenso wenig über mich und die meinen. Ich zweifle nicht an seiner Liebe. Ich zweifle nicht an seinem Stolz – heute zumindest nicht mehr. Es gab Zeiten in denen er weder meine Lebensweise noch meine Freundeswahl gut geheissen hat. Für einen Vater ist das wahrscheinlich auch normal, für ein Kind trotzdem kränkend. Und trotzdem war er mir ein Vorbild. Eines in der Aufrichtigkeit und dem Respekt Menschen gegenüber.
Nun stehe ich 27 1/2 Jahre nach meiner Geburt hier und überlege, was an der Beziehung zu meinem Vater hätte besser sein können. Und ich merke: Einiges, aber unter den gegebenen zwei Sturköpfen, die wir beide sind, haben wir das Beste aus unserer Beziehung bekommen. Insbesondere, wenn ich mir die letzten Jahre anschaue …
Nun steht also die Zahl 80 Jahre hier. Und für das Leben eines der wichtigsten Menschen in meinem kleinen Universum ist dies nicht nur eine bedeutende, sondern wohl auch die letzte Jahreszahl.
Vor einem halben Jahr stellte man drei Krebsarten mit unzähligen Auswüchsen bei meinem Vater fest. Derart massiv bereits, dass sich sein Zustand deutlich verschlechtert – Tag für Tag.
Dieser Geburtstag ist etwas Besonderes. Nicht nur, weil es der 80ste ist. Nicht nur, weil es der letzte ist. Sondern auch, weil mein Vater ihn diesmal im Krankenhaus verbringen wird.
Die Familie wird heute Stück für Stück bei ihm vorbei kommen, und neben den guten Wünschen und der Hoffnung, dass er am Wochenende für ein gemeinsames Kaffeetrinken wieder daheim sein wird, wird sich auch jeder seine Gedanken machen. Wie es sein wird, 2009 an diesem Tag. Ohne ihn, diesem stets präsenten, starken Mann.
Ich wünsche ihm heute vor allem eines: Die Möglichkeit, die letzten Tage hier so gut und selbstbestimmt zu verbringen, wie er sein Leben bisher gelebt hat. Wichtigeres gibt es heute nicht.
Wünsche dir, deiner Familie und natürlich deinem Vater all die Kraft die ihr braucht und Gottes Segen!
Wenn man diese Zeilen liest, überlege ich mir warum ich mit meinem Vater immer und immer wieder diese endlosen und unsinnigen Diskussionen führe…
Thomas, eine schwere Zeit, die Dir und Deiner Familie bevorsteht. Wünsche Euch auch viel Kraft.
Von meiner Seite auch alle Kraft der Welt damit ihr über diese schwere Zeit hinweg kommt.
Aber man sagt ja die Zeit heilt alle Wunden und irgendwie ist da auch was wahres dran.