Was machen Deutsche, wenn sie mit einer Thematik überfordert sind? Sie gründen Initiativen. Dagegen.
Neustes Beispiel: Sexting.
So bezeichnet man es, wenn – meist minderjährige – untereinander Nacktbilder verschicken, via MMS, Snapchat, Whatsapp und Co. Dass einiger Bestand dieses Trends zwangsläufig auch im Internet landet, bleibt dabei nicht aus. Und das empört.
Dabei ist Sexting vor allem eines: es gehört zur Entwicklung des Ichs dazu. Was Jugendliche früher daheim in kleiner Runde gemacht haben, tun sie jetzt in digitaler Form. Mehr als alles andere gehört zum Formen des Ichs im Jahr 2013 auch das Finden des digitalen Ichs dazu.
Nun will sich eine bundesweite Initiative gegen das Sexting richten. Aufklärung, rufen fünf Pädagogen, die sich an die Spitze der Initiave stellen.
Dass es weitreichende Folgen haben kann, wenn die eigenen Nacktbilder im Netz landen ist unbestreitbar. Die Panikmache, die im Zuge der neuen Kampagne jedoch wieder stattfindet schließt die Augen vor der Realität. Ahnungslose Eltern, so der Direktor eines Gymnasiums gegenüber dem NDR, sollten überlegen, welches Telefon sie ihren Minderjährigen kaufen. Sonst, so warnt er, seien „alle Handys voll von Nacktfotos„. Genau solche Sätze brauchen wir in einer Aufklärungskampagne, die ernst genommen werden will, nun aber absolut überhaupt nicht.
Inititiven wie die gegen Sexting haben vor allem eine Wirkung: dass auch der letzte Depp in den Klassen mitbekommt, dass es Mitschüler gibt, die Nacktbilder von sich verschicken. Und sich ggf. erst Recht auf die Suche macht.
Aufklärung in dem Bereich ist wichtig. Doch nicht auf Basis einer Initiative. Es gehört endlich ein Unterrichtsfach „Medienkompetenz“ auf den Tisch der für Schulen zuständigen Länderversammlung. Ein neues Pflichtfach, das nicht von normalen Lehrern, sondern Initiativen wie klicksafe und Co. begleitet wird. Ein Fach, dass nicht mit erhobenem Zeigefinger predigt, was Jugendliche im Netz nicht dürfen. Sondern eines, dass aufklärt – nicht unbedingt so proaktiv, wie es Amy & Pink zum Thema Sexting tun, aber doch auf Augenhöhe zu den Jugendlichen.
Das ist schwierig, ich weiß. Ich weiß das auch, weil ich selbst drei Kinder (der Älteste davon 12) habe. Aber es ist endlich an der Zeit etwas nachhaltiges um ein Thema zu tun, dass die meisten Eltern einfach daheim nicht abbilden können. Das Thema wird sich auch nicht „erledigen“, denn wenn ich mich im Freundes und Bekanntenkreis umschaue, sehe ich jede Menge 30 bis 40-Jährige mit Kindern im Alter von 6 bis 12, die ebenfalls noch nicht das Maß an Netzkompetenz haben, die man eigentlich von ihnen erwarten würde.
Was am wenigsten hilft sind panische und plakative Kampagnen. Im Gegenteil, sie befeuern das Problem nur. Denn Jugendliche handeln nicht vernünftig, sondern rebellisch. Was haben wir uns damals über die Anti-Drogen und -Rauchen-Kampagnen lustig gemacht!
Cyber-Mobbing, Sexting, … das alles fand früher schon statt. Auf dem Schulhof, auf Klassenfahrten, Zuhause. Es verblieb im überschaubaren Raum des Klassenkollektivs. Das Internet ändert das. Aber statt panikmachend aller 12 Monate einem neuen Trend entgegen zu laufen wäre es sinnvoller sich tatsächlich mal mit den Jugendlichen und dem Thema Mediennutzung zu beschäftigen. Ich habe nicht den Eindruck, dass das auf schulischer Ebene stattfindet.